Integration
Integration – das heißt für mich nicht: Anpassung von Minderheiten an eine Mehrheitskultur, an einen diffusen Begriff deutscher Leitkultur, den selbst die nicht mit Leben füllen konnten, die einst am lautesten danach verlangt haben.
Integration heißt: die verschiedenen Bestandteile des Motors Gesellschaft sinnvoll so ineinander zu fügen, dass sie als Ganzes reibungslos und effizient funktionieren und kooperieren können.
Als Politiker, der selber aus einem anderen Land zugewandert ist, war und ist Integration selbstverständlich und automatisch immer ein wichtiges Thema für mich, und seit mehr als drei Jahrzehnten habe ich Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt, habe bei Eingewanderten und Eingeborenen für Integration, für Respekt, Verständnis und Toleranz geworben. Diejenigen, die diesen Weg gegangen sind, wissen, dass das auch in der SPD im wahrsten Sinne des Wortes von Max Weber das geduldige Bohren dicker Bretter bedeutet.
Aber vor dem Hintergrund dieser Erfahrung ist eine meiner politischen Grundüberzeugungen, dass wir viel zu lange und lange genug gesellschaftliche Probleme ethnifiziert haben, das heißt, ihre Ursachen überwiegend in der ethnischen, kulturellen und religiösen Herkunft der Zuwanderer gesucht haben. Kulturelle Hintergründe zu kennen ist unbestritten ein großer Vorteil, wenn man Migrationsprobleme lösen will – deshalb kümmern wir uns heute um interkulturelle Kompetenz beim Lehrpersonal, bei Mitarbeitern von Polizei oder Verwaltung, auch im Gesundheitsbereich oder der Altenpflege. Das ist richtig und das ist gut. Das darf uns aber nicht davon abhalten zu erkennen, wo soziale und ökonomische Gründe, wo – auch wenn das Wort aus der Mode gekommen ist – schichtspezifische Lebensumstände Ursache von Problemen sind und eben nicht kulturelle Gründe.
Denn soziale Probleme immer wieder auf ethnische Herkunft zurückzuführen, ist nach einem halben Jahrhundert Migration nicht bloß unglaubwürdig – es ist auch ein rassistischer Ansatz, der Integration geradezu verhindert, indem er die Zuwanderer nämlich gerade auf die Rolle der Anderen, der Fremden festlegt, indem er die Unterschiede betont und das Erkennen von Gemeinsamkeiten, von gemeinsamen Interessen, die sich aus dem Zusammenleben, aus dem Erleben der gleichen Probleme, mittlerweile längst ergeben haben, verhindert.
Denn da, wo Menschen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Herkunft, ihrer verschiedenen Lebensstile und –entwürfe, ein gemeinsames Ziel verfolgen, zusammenarbeiten für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände – in der Elternarbeit beispielsweise, in Bürgerinitiativen, auch in Gewerkschaften oder Parteien - da treten ethnische Unterschiede endlich hinter die gemeinsamen Interessen zurück. Da beginnt Integration.